15. Februar 2012

Das Leben ist ein langer Weg und irgendwann kommt man an. So ähnlich sieht wohl fast jeder Mensch das Leben, wobei „ankommen“ keiner genau definieren kann. Die einen sehen im Überleben der Schulzeit oder im Erreichen des Pensionsalters das Ende, andere wollen verheiratet sein oder geschieden, den Himalaya bestiegen oder tot sein. Viele kommen sogar an, merken es nicht und gehen weiter. Der Weg ist das Ziel – wohl einer der grössten Irrtümer der Menschheit.

Für mich war immer klar, dass mir klar sein würde, wenn die Zeit zum ankommen gekommen ist. Ich würde vor einer Tür stehen die sich öffnet und das was ich sähe offenbare es mir wir ein Blitzlicht aus dem Regenbogen. Der perfekte Moment, der keine Fragen offen lässt. Für jemanden der weder an Zufälle noch an Schicksale glaubt, lässt eine solche Überzeugung jedoch viele Irrwege offen. Gewinne ich viel Geld? Erkenne ich den Sinn des Lebens? Oder erfahre ich, dass wir nur in einer Matrix leben und ich dem weissen Häschen folgen muss?

Es kam natürlich anders. Im Alter von 42 Jahren stand ich vor besagter Tür die mir geöffnet wurde. Es blendete sich eine zurücklaufende Digitaluhr ein. Mit Hundertstelsekunden, eine wie beim Skirennen. Nur rückwärts. Genau im gleichen Moment als die Türe geöffnet wurde, blieb die Uhr bei Null stehen. Es schwappte eine blinkende Eins auf grünem Grund auf, der linke Ski war schon bereit durch die Luft gewirbelt zu werden, der Pokal schon in die Höhe gestreckt, Girlanden und Glitter fielen vom Himmel, Rudi Carrell rückte sich ins Bild und präsentierte mit ausgestreckten Armen den ersten Preis. Ähnlich wie man es dem Sterben nachsagt, passierten in der gleichen Sekunde noch weitere Dinge: sämtliche wesentlichen Bilder rasten mir durch den Kopf, der Magen zog sich zusammen und viele kleine Ameisen huschten durch Arme und Beine. Wahrscheinlich die roten, ganz kleinen, fiesen, die immer kommen wenn etwas dieser Grössenordnung passiert. Rudi Carrell trat einen Schritt zurück, die Bilder flossen weiter, die Eins blinkte noch immer, am Boden legte sich ein farbenfroher Glitterteppich. Und wir befinden uns noch immer in der gleichen Sekunde. Der Spot schwenkte nach links und jetzt sah ich SIE.

Anuschka, 41, wunderschön.
In den meisten Beziehungen die Menschen führen müssen, stimmt entweder das Aussehen, das Geld, die Liebe, der Geist, das Auto, viele Kinder und im besten Fall sogar mehr als etwas von alle dem. Aber das kommt nur im Fernsehen vor. Wir gingen die sieben Stufen hoch bis zu ihrer Wohnung und verschmolzen dort mit dem Sofa. Erst sechs Stunden später sollte ich wieder im Auto sitzen und von da weggehen, wo ich seit sechs Stunden wusste, bleiben zu wollen. Ein paar Tage und Auseinandersetzungen mit der Realität des bisherigen Lebens später, war ich zum wiederholten Male da, auf dem Sofa, schmelzend. Mir war längst klar, dass nichts so bleiben wird wie es war. Denn Sie ist nicht einfach nur Sie, Sie ist SIE!

SIE, die Frau die ich heiraten werde, obwohl ich das nicht wieder in Erwägung gezogen hätte.

SIE, deren Seele meine Seele berührte, obwohl ich an eine Existenz einer solchen nicht glauben wollte.

SIE, die mit ihren zauberhaften Augen, ihren beeindruckenden Worten, der ruppigen Art, dem entzückenden Duft, den direkten Worten und den zarten Gesten mein Herz schon erobert hatte, bevor Rudi Carrell die Arme fertig ausgestreckt hatte. Ich habe auf eine Art Nähe und Liebe erfahren dürfen und diese zauberhafte Frau in wenigen Wochen besser kennengelernt, als mir andere in 25 Jahren hätten näherkommen können. Ich will bestimmt niemanden zu nahe treten, aber was will das Matterhorn schon gegen einen Himalaya ausrichten. Sie ist SIE und es war vom ersten Moment klar, dass sich hier zwei Seelen gefunden haben, auf ihrem steinigen Weg bis zum Ankommen.

Einen Monat nach der ersten Begegnung stand Anuschka in der Barmelweid ein mehrwöchiger Aufenthalt bevor. Sie sollte sich von den Folgen eines Lebens erholen, das es nicht immer gut mit ihr meinte. Auch für sie war es inzwischen klar, dass ihre bisherige Nutz-Beziehung ein verdientes Ende nehmen würde und der schöne, grosse Mann auf dem Sofa, mit den starken Händen und dem grossen Herzen, die Liebe ihres Lebens ist. Während ihrem Aufenthalt erfolgte „zu Hause“ der Rausschmiss, der nur eine konsequente Folge von enttäuschten Erwartungen war. Mein Leben in Kisten verpackt, fand ich am anderen Ende des Aargaus die neue Bleibe bei Anuschka. Reine Zweckmässigkeit zu erkennen, fällt an dieser Stelle nur Aussenstehenden ein, oder jenen die es einfach so sehen wollen. Noch in der gleichen Woche war uns aber klar, dass wir tun werden, was seit gestern an das Datum des 15. Februar 2012 gebunden ist und im örtlichen Ratsgebäude vollzogen werden soll. Anuschka und ich werden heiraten.

Endlich ankommen! Endlich geliebt werden! Endlich für jemanden da sein ohne den ständigen Kampf um Anerkennung. Der Hoster dieses Blogs hat zu wenig Speicherkapazität und der Leser vermutlich zu wenig Geduld, um jede Wendung und jedes Gefühl der letzten drei Monate zu erfassen. Sie waren gross und ehrlich, anstrengend und intensiv. An Vergangenheiten zehre ich mehr als sie, doch sie zählen immer weniger, denn nicht gestern findet man sein Glück, auch nicht morgen, sondern hier und heute. Mein Lieblingssohn war in dieser Zeit oft bei uns es erfüllt mich mit Freude, dass es ihm bei uns so gut gefällt. Erst vor ein paar Tagen erhielt ich eine lange E-Mail von einem 10-Jährigen, der sehnsüchtig wieder hierher kommen wollte. Ich kann ihn verstehen.

9 Gedanken zu „15. Februar 2012

  1. Sehr schön ge-und beschrieben…. kann es sogar nachvollziehen, da mir solches „Glück“ vor ein paar Monaten begegnet ist (nach 23 Jahren ein Wiedersehen und alles war wieder da)…etwas, das man schwer in Worte fassen kann, aber Geist, Körper und Seele schweben lässt 🙂 Wünsche euch alles Glück dieser Welt und geniesst es….

  2. bin überrascht, freue mich aber mega für euch beide, ja ich gönne euch dieses Glück von ganzem Herzen.

  3. Erstmal danke für die Warnung mit dem Zurückkommentieren. 😉

    Die kommt aber leider zu spät ;-), da der Herr eben schon bei mir kommentiert haben. 😉

    Ich denke das sollte genügen um mich als Rössle zu identifizieren, oder? 😉

    Ansonsten ist die 42 ja bekanntlich die Antwort auf das Leben, das Universum und alles, da darf es nicht verwundern, wenn diese Antwort mit 42 plötzlich vor einem steht. 😉

    In diesem Sinne wünsche ich euch beiden weiter alles alles Gute! 🙂

    Grüßle vom
    Rössle

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