Grazie Lucio Dalla

Dieser Artikel wurde gestern Mittwochabend fertig. Er entstand, nachdem ich mit Anuschka am Konzert von Lucio Dalla war. Ein wunderschönes Konzert, mit vielen der alten, schönen Lieder. Ich liess den Artikel noch in der Warteschlaufe, um ihn heute noch einmal in aller Ruhe durchzulesen. Und dann kam die Meldung, die mich in Tränen auflöst. Lucio Dalla ist in der Nacht auf den 1. März 2012, kurz vor seinem 69. Geburtstag gestorben.

Als ich 1988 mein erstes Lucio Dalla-Konzert besuchte, war das Hallenstadion randvoll mit hüpfenden Italos, die einander fröhlich singend die Hände gaben und hier in der Schweiz mit Wehmut den Klängen aus der Heimat lauschten. Zusammen mit Gianni Morandi rockte er auf der Bühne und verband Menschen aller Generationen..

24 Jahre später war freilich alles etwas anders. Lucio Dalla ist seit einigen Jahren pensioniert und mit ihm sein Publikum. Das raue Hallenstadion von damals ist heute das edle KKL in Luzern. Beim Betreten des Konzertsaales wird man aufgefordert die Jacke an der Reception abzugeben, das Ticket ist an einem halben Dutzend gut betuchten Kontrolleuren vorbeizuschleusen, ehe man in einen engen Holzstuhl gepfercht wird. Meine zauberhafte Frau und ich werden sogleich umgeben von Italos – allerdings hüpfen diese genausowenig wie Luco Dalla. Gefühltes Durchschnittsalter: knapp unter 60. Was erwartet uns wohl auf der Bühne, wenn sich vor derselben das Publikum nur deswegen an den Händen hält, damit es nicht von den Stühlen kippt?

Retro ist Trumpf

Ich habe acht Konzerte gehört mit Lucio Dalla – das Konzert in Luzern war eines der schönsten. Einzelne Lieder liessen Tränen der Freude oder der Erinnerung an Früher über die Wangen kullern. Etwa „Caruso“ – ein Lied aus dem Jahre 1986, das von Bocelli und Pavarotti nachgesungen wurde, aber nur im Oiginal von Lucio Dalla jedes Herz zum Schmelzen bringt. „Piazza Grande“ (1972), „Anna e Marco“, „L’anno che verrà“ (beide aus dem 1979), „Se io fossi un Angelo“ (1985). Dalla spielte die ganz grossen Hits vergangener Tage, Lieder, die mir in meinem Leben immer wieder das Leben retteten. Ihm vozuwerfen, er sei in den 80er-Jahren stehen geblieben ist aber falsch. Der Cantautore hat unzählige Lieder für andere Künstler geschrieben und veröffentlichte neben diversen experimentellen Projekten, 2011 sein 29. Album mit neuen Liedern. Hört man in den Aufnahmen der Studioversionen, dass es sich bei Dallas Stimme nicht mehr um einen Jungspunt handelt, war am Konzert davon gar nichts zu hören. Ob es daran gelegen hatte, dass die restliche Band besonders im ersten Teil des Konzerts punkto Begeisterung eher etwas zrückhielt, oder ob wir Zuhörer im hohen Alter einfach nicht mehr gut hingehört haben, sei mal dahin gestellt. Die Töne jedenfalls streichelten die Seelen der Fans, denn Lucio wusste ganz genau, welche Lieder seine Fans von ihm hören wollten. Nämlich die Zeitlosen, wunderschönen Melodien, mit den manchmal aufmüpfigen, oft philosophischen Texten.

Heute, nur drei Tage nachdem ich ihm fast die Hand reichen konnte, nur drei Tage nachdem er mir noch ein letztes Mal „Caruso“ vorsang, verstarb er an einem Herzanfall. Dass ich mich noch während den Gesang bei Anuschka unter Tränen bedankte, dass ich mir dieses Konzert schenkte, macht den Moment noch einmal zauberhafter. Kreise die sich schliessen.

Grazie Lucio, mi mancherai assai

Presse: Die Zeit, il sole, wikipedia