Nahrung

nahrung250’000 Tonnen Nahrung wirft die Schweizer Bevölkerung pro Jahr einfach so weg. Das hat das Bundesamt für Statistik herausgefunden, nachdem Güsel-Kontrolleure Stichproben im Haushaltsmüll durchgeführt und daraus eine Hochrechnung erstellt haben. Zweifellos eine dramatische Zahl. Störend an diesem enormen essbaren Abfallberg ist, dass er in dieser Form gar nie zu sehen ist und alleine auf die Schockwirkung in die Richtung des Konsumenten zielt. Die Statistiker bedienen sich dabei des Phänomens, dass die meisten Menschen die Relationen gar nicht wahrnehmen. 250’000 Tonnen sind für sich genommen eine riesige Zahl.

Klar, jedes entsorgte Jogurt ist eines zu viel. Mehr als das ist es aber auch nicht. Bricht man die 250’000 Tonnen Nahrung auf Personen und Tage herunter, wirft jeder von uns täglich gut portionierte 100 Gramm Esswaren weg. Seien wir mal ehrlich: Ein Viertel Sandwich, ein halbes Jogurt, das alte Stuück Brot – 100 Gramm sind schnell beisammen,
ohne dass wir mit Vorsatz verschwenderisch handeln. Berücksichtigt man, dass es wahrscheinlich eine Gruppe gibt, die Esswaren kiloweise wegwirft, sinkt die Pro-Kopf-
Sünde von uns Normalverbrauchern deutlich unter diese Marke.

Damit soll das Wegwerfverhalten unserer Gesellschaft nicht verharmlost werden. Grund, den Empfängern der Botschaft ein kollektives schlechtes Gewissen einzubläuen, gibt es aber trotzdem nicht. Zumal die Mitverantwortlichen der Misere nicht alleine Herr und Frau Schweizerhaushalt sind.Heute werden auf Nahrungsmitteln bewusst zu knappe Verfalldaten aufgedruckt. Beispiel Jogurt. Es ist bekannt, dass diese mindestens einen Monat über dasVerfalldatum hinaus verzehrt werden können. Alle Nahrungsmittel mit Salz, Erdnüsschen, Pommes-Chips, eingelegte Ware, Konserven, Trockenfleisch, aber auch Kaffee oder Kakaopulver, trockene Pasta und Schokolade, um nur mal ein paar gängige Esswaren aufzuzählen, sind weit über das aufgedruckte Datum geniessbar. Käse! Käse reift teilweise monatelang – und luftdicht abgeschlossen im Kühlschrank soll er nur noch zwei Wochen geniessbar sein? So ein Käse!

Gerne nehmen wir zur Kenntnis, dass 100 Gramm essarer Abfall pro Tag und
Person zu viel sind.Wir geloben Besserung und essen das Brötchen in Zukunft auf. Gleichzeitig sei der Ball an die Nahrungsmittelindustrie weitergespielt, die statt absatzorientierte Verfalldaten die tatsächliche Haltbarkeit auf ihre Verpackungen drucken soll. Denn hier tritt ein anderes Phänomen in Erscheinung: Steht 1. Februar drauf, wandert das Essen vielerorts am 2. Februar in den Güsel.

 

Dieser Artikel erschien im Wynentaler Blatt Nr. 10/2014 als Titelkolumne.
Texte aus der Zeitung. Sie haben den Nachteil, dass man die richtige Ausgabe gekauft haben muss, um sie (nach-)lesen zu können. Egal ob es der grösste Schrott war, oder ein Glanzlicht der Weltliteratur: Verpasst man die Zeitung, ist der Text für immer weg. Aus diesem Grund erscheinen im Goggiblog meine kleinen Perlen aus dem Wynentaler Blatt. Für die Ewigkeit konserviert, sozusagen.