«Die Natur ist viel dynamischer als der Mensch»

Welche Folgen hat der warme Winter für den Wald und für die Natur? Diese Frage beantwortet Ueli Wanderon, Leiter des Forstbetriebs aargauSüd. Dabei wurde schnell klar: Was wir Menschen als Problem betrachten, damit geht die Natur problemlos um.

Best of rc. @ Wynentaler Blatt 2014 – Februar (3/5)

waldEine weit verbreitete Meinung ist, dass in einem warmen Winter zu viele Insekten und ganz besonders die Schädlinge überleben und so im Frühling gnadenlos zubeissen. «Stimmt nicht», korrigiert Ueli Wanderon, Leiter des regionalen Forstbetriebs. «Käfer überleben eher, wenn es tief kalt ist, dann sind sie nämlich inaktiv und brauchen kaum Energie.Wenn es warm und feucht ist, laufen die Kleinsttiere herum, verbrauchen ihre Energie, finden aber nichts zu fressen. Bakterien,Viren und Pilze geben ihnen dann noch den Rest.» Das sei eine natürliche Auslese. Ob der Winter warm oder kalt ist: die Natur regelt das hervorragend.

Ein paar Vögel sind schon da

Wer früh aufsteht, hört aus dem Wald schon frühlingshaftes Vogelgezwitscher. Die Misteldrossel, die das ganze Jahr über hier bleibt, hat schon mit der Brautschau angefangen und lockt mit lautem Gesang. «Vögel sind sehr flexible Vögel. Star und Ringeltaube sind Teilzieher. Würde es tatsächlich noch einmal richtig kalt werden, verziehen sie sich einfach wieder in eine wärmere Gegend.» In der Vogelwelt kann man also sehr gut beobachten, wie sich die Natur gerade verhält. Doch auch die Pflanzen künden den nahenden Frühling an: Frühblüher wie der Hasel oder der Seidelbast öffnen nun ihre Knospen, vielleicht zwei oder drei Wochen früher als in anderen Jahren.

Nachteile «nur» für die Menschen

«Alles in allem ist die Natur aber auf dem Stand, auf dem wir sie erwarten», fasst Wanderon die Lage zusammen. Die meisten Nachteile entstünden bei einem warmen Winter ohnehin nur für die Menschen. «Jetzt beim Holzschlag, würden wir Waldarbeiter gefrorene Böden dem Sumpf natürlich vorziehen.» Der fehlende Wechsel der Jahreszeiten macht zudem vielen Menschen zu schaffen, schliesslich lernt man von Kindesbeinen an, dass es imWinter zu schneien hat. «Wenn die weisse Pracht aber ausbleibt, fehlt vielen Menschen etwas. Ich freue mich auch immer auf die neue Jahreszeit – aber grundsätzlich schadet ein warmer Winter der Natur nicht nachhaltig.» Erst wenn die Klimaveränderung über mehrere Jahre anhalte, werde sich Flora und Fauna anpassen. Wanderon wünscht sich, dass man die Entwicklung im Grossen betrachtet und wird sogar etwas philosophisch: «Ich habe noch nie ein Bild gesehen, auf dem die Alten Römer in Wintermäntel eingepackt waren. Das heisst, dass sich das Klima hier in den letzten 2500 Jahren massiv verändert haben muss. Das wird auch in Zukunft so sein.»

Der Bärlauch wächst

«Die Natur ist viel dynamischer als der Mensch», sagt der Betriebsleiter abschliessend. Änderungen wird es also immer geben – unsere Gewohnheiten anzupassen dagegen fällt nicht immer leicht. Der warme Winter bleibt der Natur einfach als warmer Winter in Erinnerung. Mehr nicht. Und wer sich unter den Menschen bereits angepasst hat und sich auf den Frühling freut, wird einfach etwas früher bedient: Sogar der Bärlauch drückt hier und da schon aus dem Boden. Bezeichnenderweise müssen sich die Mitarbeiter des Forstbetriebes eher mit den Folgen menschlicher Taten befassen: Ein Dieb hat eine Halterung aufgebrochen und Holz gestohlen.

wald2

wald1

Dieser Artikel erschien im Wynentaler Blatt Nr. 9/2014.
Texte aus der Zeitung. Sie haben den Nachteil, dass man die richtige Ausgabe gekauft haben muss, um sie (nach-)lesen zu können. Egal ob es der grösste Schrott war, oder ein Glanzlicht der Weltliteratur: Verpasst man die Zeitung, ist der Text für immer weg. Aus diesem Grund erscheinen im Goggiblog meine kleinen Perlen aus dem Wynentaler Blatt. Für die Ewigkeit konserviert, sozusagen.