Das Hochhaus in Reinach ist 50 Jahre alt

Im Mai 2014 feiern die Geschäfte im Reinacher Hochhaus das 50-jährige Bestehen des Gebäudes. In den 1960er-Jahren galt es als Inbegriff der Moderne. Bis heute sind zwei Geschäfte da geblieben, wo sie von Anfang an waren und feiern das Ereignis mit einem Jubiläums-Fest.

Best of rc. @ Wynentaler Blatt 2014 – Mai (3/3)

Bildschirmfoto 2016-02-05 um 00.09.40«Die Zeiten haben sich geändert », sagt Heinz Kaspar. Vor 40 Jahren hat er in diesem Gebäude eine Lehre als Elektromonteur angefangen, heute ist er Inhaber der Kaspar Elektro AG. Auf seine Initiative hin findet morgen Samstag ein grosses Jubiläumsfest statt, bei dem vor allem auch der Modeladen Intermod beteiligt ist. «Seit der Eröffnung 1964 gab es im Hochhaus immer einen Elektroladen und ein Modegeschäft», weiss Kaspar zu berichten. Beide Geschäfte feiern also den Fünfzigsten aber auch sonst verbindet die beiden Läden einiges: Brigitte Wildi, Inhaberin der Intermod erzählt, dass ihre Eltern Lilly und Hans Wildi bei der Eröffnung noch Arbeitsbekleidung verkauft hätten. Zuerst hiess der Laden «Schürzencenter» und später «Kleidercenter». Seit 1974 ist der Name Intermod für Modebewusste Damen ein Begriff. «Wir haben heute Damenmode, Dessous, Accessoires und Bademode für Sie und Ihn im Angebot ».

Familientraditionen

Auch der Elektroladen ist mit der Zeit gegangen – geblieben ist auch hier die Familientradition. «Vor meiner Zeit hiess das Lokal «Weber & Co» und wurde später in ElektroAG umgetauft» erinnert sich Heinz Kaspar, der das Geschäft dann 2004 übernommen hat und seit 2010 als Kaspar Elektro AG führt. Seine Frau Beatrice hilft in Sekretariat und Laden mit und die beiden Söhne Manuel und Benjamin haben die Lehre als Elektroinstallateure hier gemacht. «Interessanterweise sammeln sich in diesem Frühling einige Jubiläen: Das Elektrogeschäft gibt es seit 50 Jahren, vor 40 Jahren habe ich hier angefangen zu arbeiten und seit 10 Jahren gehört das Geschäft mir», rechnet der Geschäftsinhaber vor.

Im Hochhaus findet man alles was man braucht

«Wie die Zeit vergeht», meint er noch, als ein Kunde die Befragung des Journalisten unterbricht: «Ich brauche einen Vierkantschlüssel, können Sie mir da helfen?», wendet sich ein Mann an Heinz Kaspar. Klar kann er – und zieht das gesuchte Werkzeug aus der Hosentasche. «Ganz so schnell geht es nicht immer, aber wir sind natürlich kompetenter Ansprechpartner für sämtliche Anliegen im Bereich Elektroinstallationen vor Ort; wir haben Lampen, Haushaltsgeräte, Waschmaschinen und vieles mehr im Angebot und gleich nebenan können wir am Samstag auch gleich noch ein neues Werkstatt- und Lagergebäude einweihen».

 

Als der babylonische Traum wahr wurde

Mehrstöckige Bauten sind heutzutage nun wirklich keine Besonderheit mehr, doch das Hochhaus in Reinach war vor 50 Jahren ein Novum und verleiht noch heute der wohl unbeliebtesten Kreuzung im ganzen Wynental ihren Namen. 

Bildschirmfoto 2016-02-05 um 00.10.59Wer Anfang der Sechzigerjahre auf dem Land wohnte, musste sich von der Moderne überrumpelt gefühlt haben: Der Bund wollte sich mit der «Mirage» neue Kampfflugzeuge kaufen, in Dürrenäsch stürzte ein Passagierflugzeug ab – eines dieser Dinger für die man einen Tagesausflug nach Zürich unternehmen musste, um es besteigen zu können. Zur gleichen Zeit wurden im Oberwynental zwei für jene Zeit enorm hohe Häuser gebaut. Erst stellte die Aluminium AG das markante Verwaltungsgebäude in Menziken auf und im Frühjar 1964 eröffnete das neue Wohnhaus im Reinacher Unterdorf.

Gemeindeammann freute sich über den Mut

Als das Gebäude an der Sandgasse noch im Rohbau stand, beschrieb das Wynentaler Blatt den Bau als «babylonischer Traum, der wahr geworden ist» und mahnte davor, dass «kalte, seelenlose» Bauten wie diese fortan das Dorfbild immer mehr erobern werden. Der Autor trauerte dem Treppenhausgeflüster nach, das nun nicht mehr möglich sein werde: «Durch die Bauweise ergibt sich bereits der Fortschritt, welcher die aufwärtsstrebende Bauweise in erster Linie auszuweisen hat: Der Lift hat das Treppenhausgeschwätz ersetzt». Der damalige Gemeindeammann Kurt Heiz, dem «Statthalter des Nestes Reinach», wie er selber zu sagen pflegte, bekundete dagegen seine Freude. Darüber nämlich, «dass man den Mut gefunden hat, das grosse Projekt zu verwirklichen», wie das Wynentaler Blatt den schlagfertigen Gemeindevorsteher zitierte.

Keine seelenlose Bauerei

Ganz so wild, oder gar babylonisch, wurde es mit der seelenlosen Bauerei im Oberwynental dann aber doch nicht. Noch heute kann man Bauten, die bis zu Gott reichen sollten, an einer Hand abzählen und das Hochhaus an der Kreuzung Sandgasse/Aarauerstrasse ist noch markant genug geblieben, dass der angrenzende Verkehrsknoten in manchem Wegbeschrieb schlicht «Hochhauskreuzung» genannt wird. Ob Luft und Aussicht in den oberen Stockwerken, wie damals in der Zeitung vermutet, ausschlaggebend für höhere Mieten war, ist nicht überliefert. Klar ist aber, dass die Reinacher die Skepsis der Lokalzeitung damals teilten und es vor allem «Auswärtige» waren, die hier wohnen wollten. «Nicht einmal eine Bank hat man gefunden, die nur einen Rappen Kredit gewährt hätte» machte Direktor Heer von der Bauherrin «Swiss-Fonds» auch die Skepsis der Investoren deutlich. Später gehörte die Liegenschaft der Migros Pensionskasse und seit einigen Jahren ist sie im Besitz der Fumedica Immobilien AG.

Dieser Artikel erschien im Wynentaler Blatt Nr. 39/2014. Texte in der Zeitung. Sie haben den Nachteil, dass man die richtige Ausgabe gekauft haben muss, um sie (nach-)lesen zu können. Egal ob es der grösste Schrott war, oder ein Glanzlicht der Weltliteratur: Verpasst man die Zeitung, ist der Text für immer weg. Aus diesem Grund erscheinen im Goggiblog meine eigenen kleinen Perlen aus dem Wynentaler Blatt, von denen ich glaube sie seien erhaltenswert oder sie könnten irgendwann als Referenz dienen. Für die Ewigkeit konserviert, sozusagen.