25 Jahre künstliche Verspätung

Einen schönen runden Geburtstag feiert dieser Tage die wohl sinnloseste Erfindung der Schweizer Kommunikationsgeschichte: Die B-Post. Neu sollte man langsame Briefe verschicken können, also quasi heute eine Botschaft aussenden, die erst übermorgen ankommen soll. Noch eigenartiger als deren Erfindung ist eigentlich nur die Tatsache, dass es diese heute noch gibt.

 

Postanhänger

Als sie damals eingeführt wurde, war ich noch Pöstler in Suhr. Neu war man angewiesen, die Briefbunde mit blauem Bundzettel am Morgen liegenzulassen und nur die schnelle A-Post mit weissem Bundzettel und die B-Post vom Vortag zuzustellen. Von der Mehrheit der Menschheit unbemerkt, gab es ab dann auch noch die B2-Post, mit gelbem Bundzettel. Kurz erklärt war die B2-Post das, was heute beim E-Mailverkehr im Spam-Ordner landet. Das war aber nicht die einzige Neuerung bei der Post. Man sprach plötzlich von „Optimierung der Führungsstrukturen“, pflegte Adressen der Kunden in eine Excel-Tabelle ein und anstatt mit einer Stoppuhr zu messen, wie lange man von Briefkasten 1 bis Briefkasten 2 brauchte, errechnete die Uni Lausanne einen Sekunden-Wert, der dem Briefträger für dessen Zustellung als Aufwand entstünde. Eine Zahl mit sieben Stellen hinter dem Komma, die regelmässig zu Ungunsten des Pöstlers nach unten korrigiert wurde.

 

Kein Wunder sortierten wir damals an sogenannten „Zähltagen“ B-Post-Briefe trotzdem schon am Morgen, denn der Wert wurde mit der achtstelligen Sekundenzahl multipliziert und ergab hochgerechnet die Arbeitszeit des Briefträgers.

 

Durch die Einführung der Briefsortieranlage in Aarau und die automatische Zählung, blieb da bald kein Spielraum mehr und die schönen Sommertage mit Feierabend um die Mittagszeit gehörten bald der Vergangenheit an. Nur die Wintertage mit Arbeitszeiten bis nach Einbruch der Dunkelheit blieben bestehen. Heute, 25 Jahre später, wird der Pöstler sogar auf Schritt und Tritt verfolgt. Dauert ein Kundengespräch zu lange, muss dieses mit einem speziellen Code in seinen Scanner eingelesen werden. Mit diesem Scanner werden auch die genaue Zeit einer Paketzustellung, die Leerung des gelben Postbriefkastens und die Dauer der morgendlichen Darmentleerung erfasst. Der Roboterpöstler geniesst sozusagen keine Freiheiten mehr und der freundliche Schwatz mit der Pensionärin wird zur Arbeitszeitfalle. Nicht auszudenken wenn der beladene Postanhänger zusammenfällt, weil er überladen war, dabei wollte sich der Pöstler aus lauter Stress doch nur einen Gang zurück zur Zustellfiliale ersparen.

 

Aber das ist ein anderes Thema. Meine persönliche Post-Vergangenheit und der offensichtlich gebliebene Schaden haben mich abschweifen lassen.

 

Zurück zur B-Post. In Härkingen steht eine gigantische Briefsortieranlage, die Briefe für die ganze Deutschschweiz in exakt der Reihenfolge sortiert, wie sie der Pöstler danach zustellen wird. Die Postdrohne in der Zustellfiliale entscheidet nicht mehr selber ob er weisse und blaue Briefbunde auflösen will, er liefert nur noch aus, was die Maschine vorbestimmt hat. Fast ebenso viel Platz wie die Maschine, braucht in Härkingen der Bereich, in dem die B-Post gelagert wird. Zwar wäre es technisch möglich – und vermutlich auch einfacher – alle aufgegebenen Briefe in der Schweiz am Folgetag zuzustellen, das will die Post aber nicht. Sekunden-Molekül-Berechnungen, eingescannte Arbeitszeiten und exakt programmierte Mitarbeiter: Ja – Alter Zopf B-Post abschaffen: Nein.

 

Zumal die A-Post ja sowieso nicht ankommt wenn man sie braucht.

 

Mich dünkt, ich schweife schon wieder ab. Worauf wollte ich eigentlich hinaus?
Ach ja: Alles Gute zum 25. Geburtstag, liebe B-Post.

 

 

Ein Gedanke zu „25 Jahre künstliche Verspätung

  1. Die B-Post hat die Post scheinbar – gemäss eigener Auskunft – eingeführt, damit sie die Sortieranlagen besser auslasten können. Als wäre das ein Grund.

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