Bahnbilder von Max

Nach wie vor kann man live dabei sein, wie etwas Bemerkenswertes entsteht: Röbi Sturzenegger aus Unterentfelden digitalisiert eine grossartige Fotosammlung, die der bahnbegeisterte Max Hintermann hinterlassen hat. Auf einer eigenen Webseite kann man den Zuwachs von noch nie öffentlich gezeigten Bildern aus den Jahren 1956 bis 1985 beobachten – darunter auch viele von der WSB und der Seetalbahn.

 

SBB Aarau, Salonwagen mit Queen, P80Die Sammlung von Max Hintermann umfasst unglaubliche 15’000 Bilder. Die Motive: Geografie und Bahnen aus der ganzen Schweiz. In der Zeit der digitalen Fotografie eine Zahl, die man schnell einmal zusammen hat, Max Hintermann aber blieb der analogen Fotografie bis zuletzt treu, liess jedes einzelne Bild als Diapositiv anfertigen und bewahrte die kleinen Zeitzeugen auf Glas, in einer Kommode mit 50 Schubladen auf. Fast wäre der Schatz aber im Nirgendwo gelandet: «Ich wusste gar nicht, was ich damit anfangen sollte. Es sind so viele, ich dachte daran sie wegzuwerfen», fasst Ehefrau Ruth Hintermann die anfänglichen Gedanken zusammen, nachdem ihr Mann im Dezember des vergangenen Jahres verstorben war. «Ich war sehr oft dabei,wenn Max manchmal eine Stunde lang auf eine ganz bestimmte Zugskomposition wartete und wir dann doch noch einmal eine Stunde warten mussten, weil die falsche Lok vorbei fuhr». Max Hintermann liebte die Bahn, an der Hochzeitsfeier bestand er darauf, dass die Gesellschaft im Salonwagen transportiert würde. Ein Wegwerfen der Bilder war also doch keine Option, zu viele Erinnerungen waren auf die Bilder gebannt.

 

Bildschirmfoto 2016-10-09 um 18.49.03An dieser Stelle kommt Röbi Sturzenegger (im Bild)  ins Spiel:«Ich habe Max kennengelernt, als ich 16 Jahre alt war. Er war damals schon 32, arbeitete als Lehrer vorwiegend in Schöftland und er war ein bisschen wie ein Vorbild für mich, denn wir teilten beide die Begeisterung für die Bahn», erzählt dieser. Es entstand eine enge Freundschaft. Als Max seine künftige Ehefrau Ruth kennenlernte (ebenfalls im Bild), blieb die Freundschaft zu Röbi bestehen.Der Entfelder erinnert sich: «Ich ging bei Hintermanns ein und aus, als wäre ich ein Teil der Familie» und spannt den Bogen zurück zu seinemProjekt: «Da lag es auf der Hand, dass ich Ruth anfragte, ob ich die Bilder digitalisieren und der Öffentlichkeit zugänglich machen könne.

 

Als gewesener Software-Entwickler, der zum Beispiel für die New York Times Logistik-Systeme programmierte, bringt Sturzenegger das nötige Rüstzeug mit. An zwei grossen Bildschirmen demonstriert er, wie er bis Februar 2016 rund 1200 eingelesenen Bilder archiviert hat. «Ich habe ein Programm geschrieben, das die Bilder im richtigen Format auf die Webseite stellt. Register, Unterkategorien und Zähler werden automatisch aktualisiert. WSB Reinach, Schneggen, 1970Am meisten Arbeit beschert ihm die Korrektur der Bilder (siehe 1. Kasten unten), die Freude an der Arbeit habe aber noch nicht verloren. Nebenbei sei er aber auch n noch begeisterter Sänger bei der Kantorei Pro Musica und er besitzt zusammen mit anderen Eisenbahn-Amateuren eine grosse Modellbahnanlage, die auch einer gewissen Pflege bedarf.

 

Bis Ende 2016 will sich Sturzenegger Zeit lassen, alle Bahnbilder – rund 3000 an der Zahl – auf die Webseite zu bannen. «Ich habe bei mir zehn Schubladen mit Dias, bei Ruth Hintermann zu Hause sind noch einmal 40», versucht Röbi Sturzenegger die Dimensionen der Sammlung klar zu machen. Ob er die Geografie- und Landschaftsbilder ebenfalls digitalisieren wird, weiss er noch nicht. «Erst schliesse ich dieses Projekt ab. Es gibt noch einige unsortierte Bilder, ich werde also ohnehin alle durchsehen müssen.»

 

Einige Perlen sind in der Sammlung bereits aufgetaucht, nicht nur unter den 228 Bildern zur WSB. «Der Hut von Max», erinnert sich die Witwe, «den hat er im Schulzimmer immer auf den Kopf von einem Skelett gelegt. Und einmal blieb der Hut nach einem Foto-Ausflug liegen und wir haben ihn eine Woche später dort wieder gefunden», erinnert sie sich. Viele wertvolle Erinnerungen. WSB Oberentfelden Engelplatz, Kreuzung, P80«Es gibt inzwischen auch schon Anfragen von Verlagen, die Max’ Bilder verwenden möchten», ergänzt Sturzenegger und versichert: «Wir wollen damit nicht das grosse Geld verdienen, aber ich hoffe schon,dass die Bilder nicht einfach von derWebseite gestohlen und wir wenigstens angefragt werden, ob die Bilder kopiert werden dürfen.»

 

Sozusagen exklusiv erschienen im Wynentaler Blatt also die ersten Abdrucke der wertvollen Sammlung. Auf der Seite bahnbilder-von-max.ch kann man den Zuwachs an Bildern live verfolgen; in einem Logbuch wird jeder Arbeitstag erfasst. Bei Drucklegung dieses Artikels in der Zeitung waren es rund 1200 Bilder, in denen man stöbern konnte. Wetten,Röbi Sturzenegger war in der Zwischenzeit schon wieder sehr fleissig?

 

Digitale Bildkorrektur ist ein «Muss»

09_re_bahnbilder_kasten2_oben«Viele Bilder haben einen Rot- oder Blaustich» erklärt Röbi Sturzenegger. «Obwohl säuberlich und trocken gelagert, haben sich über die Jahre Schmutzpartikel vermehrt.» Am PC korrigiert Sturzenegger Farbtöne und entfernt Verunreinigungen – der Unterschied auf den beiden Bildern aus dem Jahr 1958 ist augenscheinlich. «Zuerst war ich der Meinung, es wäre eine Verfälschung des Originals. Aber bearbeitet geben die Bilder viel mehr her», ist der Entfelder überzeugt. Die digitale Bildkorrektur ist also ein «Muss». Für die Bearbeitung eines Bildes, vom Einlesen mit dem Spezialscanner bis zur Fehlerbehebung am PC und dem Einpflegen auf der Webseite vergehen fünf bis sechs Minuten. Für die Bildbeschriftungen hat Sturzenegger die Angaben auf dem Dia-Rand übernommen. Auf den beiden Bild zu sehen ist demnach eine Komposition der «WSB BFe 4/4 AS Zweiachser, Hirschthal, G58». 09_re_bahnbilder_kasten2_untenWenn Sturzenegger Ergänzungen beisteuern kann, weist er diese separat aus. In diesem Fall: «Die zweiachsigen Personenwagen sind noch mit AS für ‹Aarau- Schöftland› beschriftet». Natürlich liessen sich zu jedem Bild noch einige Anmerkungen verfassen. «Bevor die WSB entstand, waren Wynental Bahn (WTB) und die AS zwei getrennte Unternehmen. Beide Bahnen hielten zwar auch in Aarau, man musste aber umsteigen», erinnert sich Sturzenegger. Bis Ende Jahr will er vorerst die rund 3000 Bahnbilder digitalisieren, darunter auch solche von der Seetalbahn, die spätestens im Herbst auf der Webseite zur Verfügung stehen sollen. Ein regelmässiger Besuch auf www.bahnbilder-von-max.ch lohnt sich also.

 

Erster Berührungspunkt in Beinwil am See

Version 2Max Hintermann wurde am 27. Dezember 1932 in Buchs geboren, genauer in der alten Post, die später abgerissen wurde. Das sei schade, habe er scherzhaft gepflegt zu sagen, denn dann könne man ihm ja nicht einmal eine Gedenktafel aufstellen. Erste Berührungspunkte mit der Bahn ereigneten sich in seiner Kindheit, in der er die Ferien oft bei seinen Grosseltern in Beinwil am See verbrachte. Sein Vater warf ihm gelegentlich frische Kleidung aus dem Zug, weil er bei der Bahnpost der Seetalbahn gefahren war und die Gleise direkt am Haus der Grossmutter vorbei führten, sehr zur Freude des kleinen Max. Als Geograph der ETH und ehemaliger Geografielehrer entwickelte er ein sehr ausgeprägtes Interesse an Gegenden, Landschaften, Bergen, Tälern, Gletschern, Flüssen, Städten, Dörfern, Ländern und Verkehrswegen, die er unermüdlich in sorgfältig ausgewählten Ausschnitten fotografisch festhielt. Sein ganz besonderes Interesse jedoch gehörte den Bahnen, «Max Hintermann kannte 99 Prozent aller Schweizer Haltestellen in der Schweiz», erklärt sein Freund Röbi Sturzenegger heute. Max Hintermann starb am 1. Dezember 2015 im Alter von 82 Jahren in Aarau.

 

Dieser Artikel ist im Wynentaler Blatt Nr. 09/2016 erschienen. Texte in der Zeitung. Sie haben den Nachteil, dass man die richtige Ausgabe gekauft haben muss, um sie (nach-)lesen zu können. Egal ob es der grösste Schrott war, oder ein Glanzlicht der Weltliteratur: Verpasst man die Zeitung, ist der Text für immer weg. Aus diesem Grund lege im Goggiblog meine eigenen kleinen Perlen aus dem Wynentaler Blatt ab, von denen ich glaube sie seien erhaltenswert. Für die Ewigkeit konserviert, sozusagen.

Tage der Sonne in Triengen

triengen

An den „Tagen der Sonne“ kann man sich bei verschiedenen Anlässen in ganz Europa über Alternativen zum gewöhnlichen Energieverbrauch informieren. In Triengen fand eine etwas kleinere Veranstaltung statt, die ebenfalls im Rahmen der „European Solar Days“ organisiert wurde. Nichtsdestotrotz bekamen auch die Luzerner etwas zu sehen: Ein zweistöckiges Naturstamm-Blockhaus wurde auf dem Gelände der Sieber Holzbau AG aufgebaut und zu bestaunen gab es eine 1000 Quadratmeter grosse Photovoltaik-Anlage. Besonders beliebt war bei den zahlreichen Besuchern der Kran, mit welcher die Gegend rund um das Festgelände aus 53 Metern Höhe bewundert werden konnte. Einziger Wehrmutstropfen war an den beiden Ausstellungstagen in Triengen eigentlich nur, dass an den „Tagen der Sonne“ die Sonne ein eher seltener Gast war, wie unser Bild zeigt.

«Griechenland hat viel Licht und viel Schatten»

Werner van Gent dürfte vielen von uns aus kurzen Einschaltungen in der Tagesschau bekannt sein. Was er im Fernsehen jeweils nur in wenigen Sätzen zusammenfassen kann, darüber hielt van Gent in Menziken einen äusserst interessanten Vortrag. Doch auch er fürchtet eine Frage, die er nicht beantworten kann. Dieser Artikel erschien 2013 im «Wynentaler-Blatt» Nr. 15.

wernervangent«Griechenland versetzt mich nach 32 Jahren als Korrespondent heute noch täglich ins Staunen» sagt Werner van Gent über ein Land von dem er in den letzten Jahrzehnt jede mögliche Facette kennen gelernt hat. Nach dem Niedergang der Diktatur 1974 reiste der Journalist mit holländischen Wurzeln ab 1980 quer durch Europa um den Menschen Griechenland zu erklären. «Die Einschaltungen aus Athen werden meistens von einem kleinen Balkon im 6. Stock eines Hotels im Zentrum der Stadt gedreht» sagte der Referent auf die mögliche Frage, ob er jeweils wirklich in Athen stünde. «Diese Einschaltungen in den Newssendungen des deutschsprachigen Landes gaben mir Gelegenheit, in einem kleinen Zeitfenster zu erklären, was man eigentlich gar nicht erklären kann» präzisierte van Gent.

Meistens wird gestreikt
Einen Versuch Griechenland zu erklären unternahm der Holländer dennoch. «Wenn Sie morgen versuchen nach Athen zu fliegen, wird das nicht gehen, denn das Flughafenpersonal streikt. In der Griechischen Presse werden Sie darüber nichts finden, denn auch die Journalisten streiken.» Der Grund für die Proteste ist im ganzen Land ist überall der gleiche: die von der Regierung gefassten Sparmassnahmen werden zwar als sinnvoll erachtet, aber ganz bestimmt nicht im eigenen Unternehmen. Trotz der angespannten Lage, den Schulden und der schieren Ausweglosigkeit nehmen es die Griechen weitgehend gelassen. Lauthals gehen sie zwar auf die Strasse, doch in Panik verfallen die Griechen nicht. Sie verlassen sich auf das, was sie über Generationen zusammengehalten hat: Die Familie und die Kirche. «Am Ende der Vertrauensliste stehen die Politiker und die Journalisten», sagt van Gent dazu, «was das Misstrauen in jede vom Staat beschlossene Massnahme unterstreicht.»

Doch gerade der Staat zählt am Pelopones zu den besten Arbeitgebern. Wer einmal eine Anstellung hat, bekommt eine in der Verfassung verankerte lebenslange Arbeits- und Pensionsgarantie. «Lange wusste man nicht, wie viele Staatsangestellte Griechenland hat. Jede Gemeinde konnte beliebig Personal einstellen, welches vom Staat – eben bis zum Lebensende – bezahlt wurde. Erst bei einer Zählung, bei der sich jeder Bedienstete registrieren lassen musste, sank die Zahl der Angestellten auf heute 750’000. Siebenmal mehr als in Österreich, einem von der Bevölkerungszahl her vergleichbaren Land.

Die seit der Einführung des Euro ausgebrochene Geldverschwendung kam ebenso plötzlich wie die drastischen Sparmassnahmen die Griechenland seit 2006 und ganz besonders in den letzten Jahren auf internationalem Druck durchzuführen hatte. Dass nicht die Ausländer – die ihr Investitionskapital von den Banken zurück wollten – die Bösen im Spiel sind, wird nun langsam auch den Griechen klar. Man reisst sich zusammen, trotzt der Jugendarbeitslosigkeit von 60% und haltet sich an dem fest was sich immer Bewärt hat: Die Familie und die Kirche. «Doch gerade die Kirche» sagt van Gent, «bezahlt als zweitgrösste Vermögensbesitzerin keine Staatssteuern und trägt direkt zur hohen Verschuldung bei. Doch die Politiker die wiedergewählt werden wollen sind gut beraten, diese tief verwurzelten Institutionen nicht in Frage zu stellen.

Prozess dauert viele Jahre
Damit ist auch klar, dass sich mit der verfilzten, ja korrupten und mit Skandalen umwobenen Regierung nicht viel ändern wird. «Griechenland ist heute wie ein Ölstaat, dem das Öl ausgegangen ist». Van Gent spricht von «Defetismus», den sich die Griechen selbst angetan hätten. wernervangent2Welches die Lösung sei, so der Journalist, wisse er aber nicht. «In den Vorgesprächen mit der Tagesschau sage ich immer, sie sollen mich ja nicht fragen, wie es mit Griechenland weiter gehen soll. Ich weiss es nicht. Ich bin nur der Journalist der Geschehenes wiedergibt, nicht der Experte für Krisenbewältigung». In den letzten Jahren sei Griechenland jedoch einem starken Wandel ausgesetzt. Noch sei keine Struktur und keine Richtung zu erkennen, aber immerhin wachse das Bewusstsein, dass sich Griechenland – nicht zum ersten Mal in seiner Geschichte – vollkommen verändern muss. Ob es gelingen wird wusste auch nach der anschliessenden Fragerunde niemand. Den über 200 Zuhörern im Kirchgemeindehaus Menziken wurde die Eigenart Griechenlands jedoch ein Stück näher gebracht und allen wurde das Bewusstsein geschärft, dass in der heutigen Zeit nichts bleibt wie es ist. «Griechenland ist wie Licht und Schatten», sagte van Gent abschliessend. «Es gibt viele dunkle Seiten, doch könnte Griechenland auch ein Vorbote dessen sein, was uns in Resteuropa noch erwartet. Anzeichen dafür gäbe es in Italien oder Portugal schon – vielleicht täte unsereiner gut, sich in diesem Punkt von den Griechen zu lernen und uns auf traditionelle Werte zu verlassen, das zu würdigen was wir haben.