Liebe Wirtschaft

Der Schweizerische Gewerkschaftsverband (SGV) gibt 250’000 Franken aus, um Herr und Frau Schweizer davon abzubringen, dauernd in Deutschland einkaufen zu gehen. Denn wer in der Schweiz einkaufe, leiste einen wichtigen Beitrag für unser Land – und zwar nicht nur für die Wirtschaft. Mach‘ ich sofort. Ich warte nur noch schnell ab, welcher Beitrag die Schweizer Wirtschaft für mich zu leisten gedenkt.

Wie wär’s zum Beispiel, wenn die patriotische Wirtschaft in grenznahen Gebieten gänzlich auf ausländische Mitarbeitende verzichten würde. In Basler Verkaufsläden und Aargauer Krankenhäusern zum Beispiel: lauter Deutsche. Ein weiterer Schritt wäre, den Angestellten der genannten Branchen in der ganzen Schweiz einen ordentlichen Lohn zu zahlen. 3’200 Franken sind zu wenig. Auch wenn dafür nur Gestelle eingeräumt werden müssen – Krankenkasse, Versicherungen und Miete kosten die Angestellten deshalb ja nicht weniger.

Aber auch bei besser bezahlten Jobs macht es sich die Wirtschaft selber schwer: statt eine aufwändige Selektion zu betreiben, verlässt man sich hierzulande auf Jugend und Diplome. Was habe ich Bewerbungsdossiers zurückgeschickt bekommen, nur weil ich 40 bin oder der geforderte ECDL-Abschluss in Office nicht beigelegt war. Dabei klatsche ich jedem 20-jährigen Diplominhaber ein fertiges Zeitungslayout mit Datenbankanbindung um die Ohren, noch bevor dieser die passende Schriftgrösse eingestellt hat.

5 Milliarden Franken geben Schweizerinnen und Schweizer im grenznahen Ausland pro Jahr aus. Das sei schlimm für die Wirtschaft, sagt die Wirtschaft. Doch die Realität sieht anders aus: Geschiedene Väter, alleinstehende Mütter, Verkäuferinnen am Limit, Angestellte mit Burnouts. Was statistisch keine Wirtschaft wahrhaben, und keine Arbeitslosenzahl erfassen will: der notleidende Bevölkerungsteil ist nicht arbeitslos, sondern ausgesteuert, langzeitkrank oder arbeitsunfähig. Er ist mit 40 zu alt und zu teuer für den Arbeitsmarkt.

An anderer Stelle im Internet habe ich deshalb einen Job-Aufruf gestartet. Meine Botschaft an die Wirtschaft: gebt mir einen Job der Fähigkeiten entlöhnt und nicht Diplome. Lasst bei diesem Job mich und den Arbeitgeber gleichermassen glücklich werden. Und gebt mir vor allem einen Job bei dem ich genug verdiene um in der Schweiz leben zu können. Dann könnten wir nämlich auch darüber reden, ob ich künftig wieder in der Schweiz, statt in Deutschland einkaufen gehe.