Kompliziert

Das war dicke Postkanton! Ein Couvert, so dick wie das Telefonbuch. Inhalt: Ein 271 Seiten dickes Buch im A4-Format zum Thema «Aufgaben- und Finanzplan des Kantons Aargau 2014 bis 2017». Dazu eine 85 Seiten lange Botschaft des Regierungsrates sowie weitere 60 Seiten zu Synopse und Leistungsanalyse. Mein Chef übergab mir die Lektüre feierlich, doch ich fragte ihn und mich: «Soll ich sie direkt in den Papierkorb werfen und wenn nicht: Wann soll ich das lesen?» Nicht, dass der Inhalt langweilig wäre. Aber wenn ich das ganze Wissen in einen Dreispalter packen soll, brauche ich mindestens ein gutes Weilchen. Und ich bin da nicht der Einzige:Da sind Politiker und Berater, Lobbyisten und Experten, die sich auf den aktuellen Wissensstand bringen müssten. Schliesslich entscheiden sie darüber, ob der Aargau für die polizeiliche Sicherheit bis ins Jahr 2017 80 Millionen statt nur 74 Millionen Franken heute ausgeben soll. Oder es muss ihnen klar sein, warum das Globalbudget für die Volksschule im gleichen Zeitraum um 93 Millionen sinkt, während es für Hochschulen bereits im nächsten Jahr um 40 Prozent angehoben wird.

Also ran an die 85-Seiten-Botschaft, liebe Politiker, denn wenn wir nicht drauskommen, ergreifen wir das Referendum! Dann schickt uns nämlich der Kanton ein viel kleineres und leichteres Büchlein, das wir auch viel schneller gelesenhaben. Falls es packend geschrieben ist und die tabellarisch-verschachtelten Informationen leserfreundlich dargestellt werden, verstehtsich. Da frage ich mich, ob es nicht von Anfang kürzer gegangen wäre, den Menschen zu erklären, wohin ihr Geld verschwindet, wenn es nicht gerade zu einem 416-seitigen Dokument verarbeitet wird. Ich bin zwar sicher, dass uns die interessierten Empfänger des Schinkens jederzeit genau sagen können wie wir uns zu entscheiden haben, falls wir dann mal gefragt würden, aber bei so viel Lektüre werde ich den Eindruck nicht los, das alles werde extra verkompliziert, damit dem vermeintlichen Souverän gar nichts anderes übrig bleibt, als den Politikern, zu vertrauen. Ich jedenfalls habe das Dokument wieder aus dem Papierkorb gefischt. Und werde es lesen.Wahrscheinlich. Versprochen.

PS: Falls jemanden die Neugier packt:Das Buch kann man hier herunterladen.

 

Dieser Artikel erschien im Wynentaler Blatt Nr. 70/2013 als Titelkolumne.
Texte aus der Zeitung. Sie haben den Nachteil, dass man die richtige Ausgabe gekauft haben muss, um sie (nach-)lesen zu können. Egal ob es der grösste Schrott war, oder ein Glanzlicht der Weltliteratur: Verpasst man die Zeitung, ist der Text für immer weg. Aus diesem Grund erscheinen im Goggiblog meine kleinen Perlen aus dem Wynentaler Blatt. Für die Ewigkeit konserviert, sozusagen.