Die unbekanntere Seite von Mike Müller

Vielleicht war es ein Oberst im Generalstab, der am Mittwoch den Saalbau frühzeitig verlassen hatte. Vielleicht war es aber auch einer jener Zuschauer, die etwas verwirrt waren, eine ganz andere Seite des Schauspielers und Kabarettisten vorgesetzt zu bekommen.

Best of rc. @ Wynentaler Blatt 2014 – Januar (2/5)

Dies vorneweg: Die schauspielerische Leistung von Mike Müller war grossartig. 80 Minuten rezitierte der Schauspieler frei und fehlerfrei, imitierte einen Peter Bichsel ebenso überzeugend wie den zwanzigjährigen Grünschnabel, der seine ersten Tage in der Rekrutenschule hinter sich gebracht hatte. Der Rest war eine perfekte Kombination aus Videoeinspielungen und Rezitationen. Müller zeigte sich bei der Beleuchtung einer typischen Armee-Laufbahn, sehr kritisch, ja sarkastisch. Eine gesteigerte Form der Satire eben, die hier und da fürVerwirrung sorgte. Ein Zuschauer hat die Vorstellung nach zwanzig Minuten sogar verlassen.

Jene Zuschauer, die den Sonntagabend- Satiriker oder wenigstens den Bestatter Luc Conrad auf der Bühne erwartet hatten, lernten an diesem Abend den Theatermenschen Müller kennen. Zwar sorgte er für einige Lacher, aber ein Spassvogel war er definitiv nicht. Im Gegenteil: Seine Beleuchtungen müssen ein Stich in jedes Militär- Herz gewesen sein. Von sich selber sagte Müller, er habe in frühen Jahren gewusst, dass er in diesemVerein nichts mehr verloren habe. Eine Art späte Abrechnung vielleicht? «So ergeht es manchem jungen Mann», sagte der Satiriker. «Erst will er nicht gut genug sein, um ja nicht weiter machen zu müssen, aber zuletzt dann doch aufdrehen, damit es wenigstens noch für einen Winkel reicht.» .

Nach der Vorstellung hatte das Wynentaler Blatt Gelegenheit sich mit Mike Müller kurz zu unterhalten:

Herr Müller. Sie haben auf der Bühne geraucht. Ist das politisch korrekt?

Mike Müller: «Nein, ist es nicht und es haben auch schon einige Leute reklamiert. Aber ich sage dann, wenn ich nicht rauche, zahlt es mir die Lungenliga ja auch nicht.Aber eigentlich bin ich ja Nichtraucher.

Sie spielen also eine Rolle. Man hat dem Publikum teilweise angemerkt, dass es etwas anderes erwartet hatte. Ihr Programm ist nicht einfach nur lustig.

Müller: «Nein, ist es kein Kabarett- Programm. Aber wer das erwartet, hat den Programmzettel nicht richtig gelesen. Ich gebe mir immer Mühe, es richtig anzukündigen. Aber klar, nicht alle kennen die Personen, die auf der Videowand eingeblendet wurden, dann ist es nicht immer leicht, die pointierten Bemerkungen zu verstehen und man bekommt dann eben nicht alles mit. Das passiert mir auch, wenn ich ins Theater gehe, das ist aber auch nicht schlimm.»

Ja was ist es denn jetzt? Eine späte Abrechnung mit dem Militär?

Müller: «Ein bisschen Abrechnung ist schon dabei, aber nur damit kann man keinen Theaterabend füllen. Dazu kommt, dass meine persönlichen Erlebnisse im Militär eher kurz waren. Ich war nur zehn Tage dabei und davon acht auf der Krankenstation. Ich fände es sehr eitel und für die Leute auch nicht besonders interessant, meine persönlichen Militärgeschichten in einem Programm zu verarbeiten. Es ist mehr eine Beleuchtung des Ganzen.»

Zurück zu Ihren verschiedenen Rollen als Satiriker am Sonntagabend, Schauspieler in einem Krimi und dem Theatermenschen. Welche gefällt Ihnen am besten?

Müller: «Wenn das Jahr abwechslungsreich ist, stimmt es für mich. Ich komme aus der freien Theaterszene. Ich habe mit 19 oder 20 eine eigene Theatergruppe gegründet mit meinen Kumpels und als diese nicht mehr mitgemacht haben, bin ich in Zürich langsam in die freie Szene gerutscht. Eigentlich spiele ich nur Rollen, die mir Spass machen. Einmal etwas mehr und einmal etwas weniger, aber das ist normal. Ich spiele gern verschiedene Sachen und lege mich nicht gern auf etwas Ausschliessliches fest.»

Wo steckt am meisten Mike Müller drin? Sind Sie eher der lustige Typ, oder einer der hinterfragt?

Müller: «Ich bin privat schon der gesellige, der es gern lustig hat. Je nach Theaterprojekt gehört etwas Nachdenklichkeit dazu. Es steckt überall etwas von mir drin.»

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Viele Stimmen, eine Armee: Im Programm «Truppenbesuch» von Mike Müller gehörten pointierte Seitenhiebe genauso dazu wie nachdenkliche Beleuchtungen einer in vielerlei Hinsicht geschrumpften Milizarmee. (Bild: rc.)

 

Dieser Artikel erschien im Wynentaler Blatt Nr. 6/2014.
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