Die Stadt Aarau hält sich wakker

Die Meldung: Die Aargauer Kantonshauptstadt erhält mit dem Wakkerpreis die Auszeichnung für die vorbildliche Umsetzung einer qualitätsvollen Verdichtung am richtigen Ort – dies unter Bewahrung der Identität der verschiedenen Stadtquartiere. Die Meinung: Aarau übernimmt damit eine grosse Verantwortung.

Best of rc. @ Wynentaler Blatt 2014 – Januar (3/5)

Aarau ist eine der wohl untypischsten Hauptstädte der Schweiz. In einem Kanton, der selten als Einheit wahrgenommen wird, sondern als Zusammenschluss von Tälern, die sich Richtung Basel, Zürich oder Luzern orientieren, blieb es für die erste Hauptstadt der Helvetischen Republik bis heute schwierig, sich gebührend ins Rampenlicht zu stellen. Kommt dazu, dass die vielen Flusstäler quasi in sich selber eine Wirtschaftsregion bilden – «aargauSüd impuls» ist nur ein Beispiel, wie man von fremden Vögten unabhängig bleiben will.

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Doch Aarau gab nicht auf, schliesslich ist es Regierungssitz und kantonale Gelder werden von hier aus vergeben. So kam es, dass wer sein Gärtchen selber pflegen wollte, alsbald keine Unterstützung mehr bekommen sollte. Fusionierte Feuerwehren und Betreibungsämter können ein Liedchen davon singen, die Spitex dient gar als Paradebeispiel: im Suhrental wurde der staatlich geforderte und geförderte Zusammenschluss von 23 Gemeinden quasi erzwungen – einzig Holziken geht noch den Weg des einsamen Ritters, man lasse sich nichts befehlen von denen in Aarau unten, war aus dem Dorf zu hören. * Diese politische Positionierung der Hauptstadt kommt mit einer regen Bautätigkeit einher, die in den letzten Jahren aus Aarau eine moderne Stadt geformt hat. Die Altstadt ist verkehrsberuhigt, die bahnhofsnahen Quartiere wurden dicht besiedelt und zentrale Orte wie der Bahnhof selber oder die Telli deutlich aufgewertet. Dank der Fusion mit Rohr ist gar ein neues Stadtquartier entstanden. Der Wakkerpreis, den Aarau nun vom Schweizerischen Heimatschutz verliehen bekommen hat, honoriert diese Anstrengungen zu Recht.Und auch wenn manche es in den Tälern nicht gern hören werden, Aarau ist für uns alle ein bisschen wichtiger geworden. Wer vor Ort einen Augenschein vornimmt weiss, dass man das sogar ganz ohne schlechtes Gewissen machen kann.

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«Eine Zentrumsgemeinde mit rund 17’000 Einwohnern kann kein Interesse haben, dass eine Nachbargemeinde mit rund 8000 Einwohnern nicht überleben kann. Das würde die ganze Region schwächen», sagte Regierungsrat Stephan Attiger vor zwei Jahren, damals noch als Ammann von Baden über seine Stadt. Gleiches dürfte für Aarau und seine direkt angrenzenden Gemeinden und Täler gelten. Mit dem Gewinn eines national anerkannten Preises hat Aarau also nicht einfach eine Position oder ein Ziel erreicht, sonder vor allem eine Verantwortung übernommen. Die Menschen in den vielen Tälern dürfen in Zukunft von Aarau vermehrt erwarten, dass es die Loorbeeren nicht nur für sich in Anspruch nimmt, sondern gesunde Regionen fördert, die aus Aarau umgekehrt erst eine richtige Hauptstadt machen. Das allerdings ist ein langer Weg. Und hoffentlich strebt ihn die Hauptstadt mit dem gleichen Elan an, wie sie sich den Wakkerpreis erarbeitet hat.

aarau

Aarau by night: Danke Christian Boss, für das tolle Foto

 

Dieser Artikel erschien im Wynentaler Blatt Nr. 7/2014.
Texte aus der Zeitung. Sie haben den Nachteil, dass man die richtige Ausgabe gekauft haben muss, um sie (nach-)lesen zu können. Egal ob es der grösste Schrott war, oder ein Glanzlicht der Weltliteratur: Verpasst man die Zeitung, ist der Text für immer weg. Aus diesem Grund erscheinen im Goggiblog meine kleinen Perlen aus dem Wynentaler Blatt. Für die Ewigkeit konserviert, sozusagen.