Ehrlichkeit ist das was übrig bleibt, wenn der Rest unter den Teppich gekehrt ist.

Vor den Regierungs- und Grossratswahlen 2012 im Kanton Aargau fallen zwei kleine Gruppierungen auf, die den Wahlkampf aufmischen wollen. Parteimitglieder sind mehrheitlich unzufriedene oder heimatlose Politiker, die mit ihrer einstigen Partei das politische Heu nicht mehr auf der selben Bühne haben. Besser wäre es ohnehin, es gäbe gar keine Parteien mehr.

Es gibt immer weniger Menschen, die politisch aktiv sind. Einige Parlamentarier des Nationalrats denken sogar laut über einen Profi-Betrieb wie beim Fussball nach und hegen Absichten, das Hobby zum Beruf zu machen. Politiker zu werden scheint nämlich an Attraktivität verloren zu haben, nachdem Burnouts selbst bei der SVP auftreten, welche das Phänomen jahrelang als IV-Betrug bezeichnete. Weil auch die SP von ihrer Familienpolitik abrückt und langsam zur Frauenpartei wird, verwahrlosen einst eiserne Verfechter linker und rechter Überzeugungen im Nichts. Dazu passend der Slogan der SLB: „Nicht links, nicht rechts – sondern vorwärts“ – wo auch immer das sein soll.

SLB steht für „Sozial Liberale Bewegung“. Die politische Ungenauigkeit zeigt sich bei den Parteimitgliedern: Beat Leuenberger gehörte einst der SVP an, Ricardo Lumengo war Mitglied der SP. Ihre Gemeinsamkeit findet sich bei ihrem nicht ganz freiwilligen Abgang bei der jeweiligen Partei: Lumengo soll bei seiner Wahl in den Nationalrat gemogelt haben, Leuenberger wird verdächtigt bei der SVP eine interne Schlammschlacht inszeniert zu haben, nachdem er nicht mehr als Grossratskandidat aufgestellt wurde. Nun finden sich quasi Hinz und Kunz bei der „Partei der Heimatlosen“, wie die SLB schon scherzhaft genannt wurde.

Desorientierte können sich auch der DPS anschliessen, die „Direktdemokratische Partei“ die sich auch „soziale Haimatpartei“ nennet. Gründer der Partei Ignaz Baerth ist ein bekennender Rechtsradikaler und verliess die SVP im Streit – damit hätte ich noch nicht einmal ein Problem. Vielmehr ist die Verwirrung gross, wenn die DPS „für freie Meinungsäusserung“ eintritt, mir bei Facebook aber den Kommentar weglöscht, in dem ich Portraitbilder aus dem Biergarten und den militärischen schriftzug im Logo kritisierte. Als ich nachfragte wurde mein Zugang auf die Seite gesperrt… Das sind schon Zustände wie bei einem Fernsehsender den ich kenne.

Die Frage ist: Wem kann man noch trauen?

Als Wähler habe ich den Eindruck, mit den neuen Parteien sei der Politlandschaft nicht wirklich gedient. Und mit dem Zerfall der alten Parteien auch nicht. Ob es etwas bringt mit der Faust im Sack Politik zu betreiben und Begriffe wie „Sozial“ und „Meinungsfreiheit“ je nach Bedarf zu verbiegen, ist so eine Sache. Andererseits bringt es nichts, eigene (linke, mittlere und rechte) Denkweisen aufzuweichen, um möglichst viele Stimmen zu bekommen – um dann doch am Volk vorbei zu politisieren. Die von allen Seiten hochgehaltene Ehrlichkeit bleibt da ein bisschen auf der Strecke, wenn die Hälfte unter den Teppich gekehrt wird.

Es bleibt mir deshalb nur noch, Köpfe zu wählen. Die Listen 1-12 der Grossratswahlen im Kanton Aargau sind schon zu Notizpapier verarbeitet worden –  geblieben ist nur die leere Liste. Von den Genannten in diesem Artikel kommt da aber keiner drauf.